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Esslinger Förderverein unterstützt die Forschung an der Tübinger Augenklinik, die so ein wichtiges Projekt zur Erforschung von Retinitis Pigmentosa-erkrankungen vorantreiben konnte, nachdem die öffentlichen Zuschüsse ausgelaufen waren.

Ein Chip unter der Netzhaut lässt Blinde wieder hoffen Mikroelektronik ersetzt abgestorbene Sehzellen - Hell und Dunkel wieder zu erkennen - Ergebnisse einer Tübinger Pilotstudie

TÜBINGEN. Blinde Menschen können mit Hilfe eines winzigen Chips hell und dunkel unterscheiden und Bewegungen erkennen. Ein Teil des Sehvermögens kann wieder hergestellt werden. Das ist die weltweit beste Entwicklung bei Netzhautimplantaten.

Von Tanja Volz

Hartwig Lahann ist blind. Vor einigen Jahren verlor er durch eine erbliche Krankheit sein Augenlicht. Doch der Hobbygärtner ist sich sicher, dass er eines Tages die Primeln in seinem Garten wieder erkennen kann: "Ich werde zwar rot und gelb nicht als Farben sehen können, aber mit Hilfe der Form der Blätter oder Blüten und durch die verschiedenen Helligkeitsnuancen könnte ich eine Blume von der anderen unterscheiden." Hartwig Lahann ist einer von sieben Personen, die 30 Tage lang einen Netzhautchip getestet haben. Bereits am ersten Tag nach der Operation konnte Lahann helle und dunkle Streifen erkennen und später unterschiedliche Helligkeitsstufen unterscheiden. Das lässt ihn hoffen, eines Tages seine Primeln nicht mehr im Dunkeln pflanzen zu müssen.

Professor Eberhard Zrenner

Mehr als zwölf Jahre Forschung stecken in dem drei Millimeter großen und ein Zehntelmillimeter dünnen Implantat. "Der Chip eignet sich für Blinde, die mindestens zwölf Jahre ihres Lebens sehen konnten", erklärt Eberhart Zrenner, der Leiter der Studie und Ärztlicher Direktor der Augenklinik der Tübinger Universität. Auch der Sehnerv müsse noch intakt sein, ebenso wie die für das Sehen notwendigen Hirnstrukturen. Dies ist zum Beispiel der Fall bei Menschen, die an einer Erkrankung der Netzhaut leiden, der so genannten Retinitis Pigmentosa. Bei diesem vererbten Leiden kommt die Erblindung schleichend; allmählich sterben die Sehzellen ab, die in der Netzhaut des Auges das einfallende Licht aus der Umwelt in elektrische Reize umwandeln. Das Gesichtsfeld wird immer enger, viele Kranke verlieren ihr Augenlicht für immer. Etwa zehn Prozent aller Blinden, und damit etwa 12.000 Patienten in Deutschland, seien davon betroffen, berichtet Zrenner. Eine Behandlung sei bisher nicht möglich.

Der unter der Netzhaut eingesetzte Chip übernimmt die Funktion der abgestorbenen Sehzellen. Er besteht aus 1500 Photozellen, Verstärkern und Elektroden, die das Licht in Strom umwandeln. Dieser Impuls reizt die noch funktionsfähigen Nervenzellen, die den Reiz Richtung Gehirn weiterleiten. Über die Sehnervenfasern gelangen die Impulse aus der Netzhaut in die Sehrinde des Gehirns.

Die sieben Patienten der Tübinger Pilotstudie konnten bestimmte Formen und Muster wahrnehmen. Ein Patient konnte ein Fenster im Krankenzimmer erkennen und allein darauf zugehen. Ein anderer Versuchsteilnehmer erkannte eine weiße Tasse und einen Teller auf einem schwarzen Tisch. Horizontale und vertikale Lichtstreifen konnten unterschieden werden, auch der Strahl einer Taschenlampe konnte mit den Augen verfolgt werden. "Das Sehen von Bewegungen funktioniert besonders gut, zu 90 Prozent kann beispielsweise ein bewegter Bleistift verfolgt werden, weil er nacheinander die implantierten Photozellen reizt", erklärt Zrenner. Diese Ergebnisse der Tübinger Studie sind weltweit einzigartig. Zwar arbeiten derzeit etwa 40 Arbeitsgruppen an der Entwicklung von Netzhaut-Implantaten, doch so weit wie in Tübingen ist man in keinem Labor. Die Forschungsarbeiten sind international anerkannt und mit Preisen ausgezeichnet.

"Das Implantat soll erblindeten Menschen ermöglichen, sich selbstständig in ihrer Umwelt zu orientieren", sagt der Tübinger Mediziner. Bei den Operationen habe es keinerlei Komplikationen gegeben, auch für den Langzeiteinsatz sieht Zrenner keine Probleme. Man wisse von Herzschrittmachern, dass ein Implantat auch auf längere Zeit im Körper bleiben und funktionieren könne.

Für die Markteinführung muss das Siliziumplättchen allerdings noch verfeinert werden. Derzeit wird der Chip noch über ein Netzteil, das die Versuchsteilnehmer um den Hals tragen, mit Strom versorgt. "Für ein vermarktungsfähiges Produkt ist jedoch eine drahtlose Energieversorgung über eine Spule unter der Haut vorgesehen", sagt Walter Wrobel, der Chef der Reutlinger Firma Retina Implant, die den Tübinger Chip weiterentwickelt hat. Anfang 2009 rechne man mit der Markteinführung, sagt Wrobel. Der Chip werde etwa 25.000 Euro kosten.

Hotline für Fragen unter 0 71 21/7 0121 80

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aktualisiert am 22.09.2008